This is not a house

Eine Fassadenaneignung

Im Rahmen der von Lukas Feireiss kuratierten Ausstellung „Transgressive – Nonkonforme Zugänge zu Kunst und Stadt“ im Kühlhaus Berlin stellten wir in unserem 10-jährigen Jubiläumsjahr eine minimalistische Arbeit aus, die unsere Arbeit retrospektivisch im Hier und Jetzt der Immobilienspekulation verortete. Die Arbeit war in ihrer Aussage und Form als Sticker bereits Bestandteil des Kollaborationsprojektes „1km² Berlin – die Tragödie der offenen Stadt“ (2020) von Guerilla Architects und Alicia Agustín.

Im Folgenden beschreibt der mitausgestellte Text eine Retrospektive unserer Arbeit:

DAS IST KEIN HAUS

LONDON, 2012. Ein altes viktorianisches Lagerhaus wird als Spekulationsobjekt seit über 25 Jahren leer gehalten. Es ist kein Haus mehr, sondern ein Asset. Wir besetzen es und erwecken es wieder zum Leben. Die Polizei kommt nach zwei Tagen und bestätigt, dass wir das Recht haben zu bleiben. Nach und nach öffnen wir das ehemalige Lagerhaus wieder für die Nachbarschaft. Wir putzen die Fenster, reparieren die Einrichtungen und laden Nachbar*innen, Künstler*innen und andere Besetzer*innen an unseren Esstisch ein, um über die Zukunft von 55 Great Suffolk Street zu diskutieren.
Diese Immobilie ist eine von vielen, die leer standen. Etwa 72.000 Immobilien bilden einen “Hidden Borough” aus Assets, die darauf warten, neu entwickelt zu werden. Die meisten von ihnen sind vergessene Orte, die aus den mentalen Landkarten ihrer Nachbarschaften gelöscht wurden. Niemand klopft jemals an die Türen oder schaut durch die Fenster, um zu sehen, ob dort noch jemand wohnte.
Um auf das Dilemma dieser Leerstände aufmerksam zu machen, plakatieren wir sie mit blauen Türen im 1:1-Format, damit die Menschen diesen verborgenen Bezirk wieder sehen. Das ist unsere erste Intervention, um die professionellen Grenzen der Architektur zu durchbrechen und sie mit Aktivismus und Performance zu verbinden.

BERLIN, 2022. Zehn Jahre später ist die Immobilienspekulation auch hier ein erschreckend sichtbarer Teil der Wohnungskrise. Immer mehr Häuser werden dem Immobilienmarkt – vor allem dem Wohnungsmarkt – entzogen und finden sich als Assets, d.h. Kapitalanlagen auf dem Finanzmarkt wieder. Diese Immobilien, deren Fassaden noch suggerieren, dass sie Teil bestehender Nachbarschaften sind, bilden einen versteckten Bezirk aus profitorientierten Kapitalanlagen, die durch ihre Exklusivität und ständig steigende Mieten für die Anwohner*innen längst unbezahlbar geworden sind.
Aber Berlin hat den Kampf gegen die Finanzialisierung des Immobilienmarktes noch nicht verloren. Findet die Assets. Recherchiert die Eigentumsverhältnisse in euren Kiezen und macht sie sichtbar. Wehrt euch dagegen, neben den glänzenden Fassaden zukünftiger Assets zu leben.

Team

  • Anja Fritz
  • Silvia Gioberti
  • Nike Kraft
  • Shahrzad Rahmani
  • Benedikt Stoll

Dokumentation

Berlin

  • Kühlhaus
  • 14.–25. September 2022